Sicherlich ist es in dieser bisher einmaligen und tiefgreifenden menschlichen und wirtschaftlichen Tragödie nicht die Zeit, Schuldzuweisungen zu tätigen. Aber es ist immer der richtige Zeitpunkt Fehler zu erkennen und aus diesen Erkenntnissen wirksame Verbesserungen für die Zukunft abzuleiten. Dazu ist es unerlässlich die Fehlerursachen zu identifizieren, zu hinterfragen und zu prüfen, ob deren Strukturen auch auf andere Situationen übertragbar sind. Alleingänge vieler Staaten auf der ganzen Welt, eine zurückhaltende Weltgesundheitsorganisation ohne Befugnisse, wieder einmal eine uneinige und zerstrittene europäische Union, Kleinstaaterei in ganz Deutschland, die Landkreise und Kommunen sind vielfach auf sich gestellt und die Menschen fühlen sich verunsichert und wissen nicht wo die Reise hingeht. Schon gar nicht was danach kommt. In der Krise ist es oberstes Gebot, auf die Entwicklungen dynamisch zu reagieren und in der jeweiligen Lage unverzüglich zu handeln. Bei aller notwendigen Improvisation ist ein vorbeugendes Notfallmanagement mit eindeutigen Festlegungen jedoch unverzichtbar, um sich im Krisenfall auf die nicht vorhersehbaren Komplikationen konzentrieren zu können. Dies trifft nicht nur auf Staaten, sondern genauso auf Unternehmen zu. Die aktuelle Krise zeigt dabei deutlich, dass die Mehrzahl der Unternehmen Ihre Hausaufgaben beim Notfallmanagement nicht gemacht haben und nun wertvolle Zeit verlieren. Und das obwohl die Auslöser, Auswirkungen und Wahrscheinlichkeiten für Krisen auf Unternehmensebene ungleich vielfältiger und höher sind. Neben einer Pandemie können unternehmerische Krisen insbesondere durch nachfolgende Aspekte hervorgerufen werden:
Komplettausfall der Geschäftsführung
Wegfall wichtiger Führungskräfte oder Schlüsselpersonen und deren Wissen
Ausfall wichtiger Lieferanten und damit Wegfall notwendiger Ressourcen oder Vorprodukte bzw. spezialisierten Dienstleistungen
Umorientierung von Schlüsselkunden mit hohen Umsatzanteilen
Ausfall kritischer IT-Systeme, Hacking-Angriffe oder Virenbefall
Unfälle, Brände oder Umweltschäden
Ausfall wichtiger technischer Einrichtungen z. B. durch Defekte, Sabotage oder Stilllegung durch Behörden
Naturkatastrophen wie Hochwasser, Dürren oder Stürme
Kriegerische Auseinandersetzungen und terroristische Anschläge
Festhalten oder Kidnapping von Beschäftigten im Ausland
Energie- oder Kommunikationsausfall
…
Unternehmen müssen sich in der Gegenwart eigenverantwortlich durch umfassende und detaillierte Grundlagenarbeit auf mögliche Krisensituationen in der Zukunft vorbereiten. Ein Blick in die Werkzeugkiste der Managementsysteme kann uns dabei helfen. Die DIN EN ISO 9001 verpflichtet alle Unternehmen, die sich dem Regelwerk offiziell verschrieben haben, u. a. Überlegungen zu interessierten Parteien, in- und externe Themen, Risiken und Chancen und Notfallmaßnahmen anzustellen. Dabei sollten auch im Interesse des Unternehmens nicht nur der Normalzustand, sondern explizit auch Notfall- oder Krisensituationen berücksichtigt werden. Ein ausgeprägtes krisenorientierten Bewusstsein bedingt, den „Kontext der Organisation“ sowie die „Risiken und Chancen“ bezogen auf die interessierten Parteien sowie den in- und externen Themen, regelmäßig in Augenschein zu nehmen. Auch wenn die identifizierten Auslöser und notwendigen Vorbeugemaßnahmen Kosten verursachen, sind sie immer noch wirtschaftlicher, als der Eintritt einer „ungeregelte Krise“. Es ist ureigenste Aufgabe der Geschäftsführung hierfür die Initialzündung einzuleiten. Die Erarbeitung muss als wichtiges -vielleicht sogar überlebenswichtiges- internes Projekt eingestuft und entsprechend gemanagt werden. Die Geschäftsführung muss den Sachstand bezogen auf die aktuelle Ausrichtung prüfen und gegebenenfalls korrigierend eingreifen. Spezialisierte Normen zum sogenannten Business Continuity Management (Betriebskontinuitätsmanagement) wie die ISO 22301 greifen genau diesen Ansatz auf und skizzieren ein systemisches und proaktives Vorgehen, mit dem Ziel, wertschöpfende Geschäftsprozesse im Krisenfall aufrechtzuerhalten. Selbstverständlich kann nicht alles bis auf den letzten Punkt planerisch im Vorfeld festgelegt und ausformuliert werden. Improvisation ist in jeder Krise erforderlich. In dieser Zeit sollte es aber nicht mehr notwendig sein, sich über generelle Festlegungen, Prozesse, Verfahren, Qualifikationsanforderungen oder eine angemessene Kommunikation Gedanken zu machen. Sollten Sie sich diese Gedanken in Ihrem Unternehmen bisher noch nicht gemacht haben, möchten wir Ihnen mit der nachfolgenden Liste einige Empfehlungen für Sofortmaßnahmen in der aktuellen Corona-Krise geben:
Herausstellen der sozialen Verantwortung, dass das Wohlergehen, die Gesundheit und die Zukunft der Beschäftigten an erster Stelle steht (Zeigen Sie dies durch das was Sie sagen, tun und nicht tun.)
Einrichten eines zentralen Krisenstabs mit ausreichenden Befugnissen unter Beteiligung der Geschäftsführung (Treffen Sie sich täglich und besprechen Sie die neuesten Entwicklungen.)
Aktuelle, umfassende und glaubwürdige Kommunikation an Beschäftigte und externe Parteien etablieren (Wählen Sie die richtigen Kommunikationskanäle und vergessen Sie nicht die persönliche Ansprache.)
Auswirkungen auf das Unternehmen analysieren (Priorisieren Sie Ihre Prozesse und Aktivitäten hinsichtlich Ihrer Kritikalität und erarbeiten Sie einen Maßnahmenplan.)
Notwendige Verfahren und Prozesse definieren bzw. visualisieren und griffbereit haben; dies gilt vor allem für die kritischen Verfahren (Erweitern Sie Ihr bestehendes Managementsystem.)
Prüfung und notwendigenfalls Aktualisierung vorhandener Notfallpläne (Beachten Sie auch andere Dokumente wie Gefährdungsbeurteilungen, Alarmpläne und Betriebsanweisungen.)
Kontakt mit Kunden suchen und gemeinsames Vorgehen abstimmen (Warten Sie nicht bis Ihr Kunde sich meldet, seien Sie proaktiv.)
Liquiditätsversorgung planen und notwendigenfalls Liquidität sichern (Investitionen verschieben, Einstellungsstopp, Reduzierung laufender Kosten oder Zahlungsziele neu verhandeln.)
Externe Informationsangebote der Branchenverbände und anderer offizieller Institutionen nutzen (z. B. RKI, BMWI, WHO, BAuA, IHK)
Digitalisierung von Dienstleistungen und Prozessen (Wo möglich, ergänzen Sie Ihr traditionelles Angebot durch digitale Lösungen.)
Versorgungssicherheit mit kritischen Waren und Dienstleistungen sicherstellen und risikoreiche Abhängigkeiten managen (Arbeiten Sie mit ihren Lieferanten und Dienstleistern zusammen.)
Entscheidungsgeschwindigkeit im Unternehmen erhöhen (Beschleunigen Sie den Informationsfluss, bringen Sie die richtigen Personen zusammen und passen Sie deren Befugnisse an.)
Alle Akteure ausreichend qualifizieren (In erster Linie die eigenen Beschäftigten, hinterfragen Sie aber auch externe Akteure.)
Informationen über staatliche Hilfsmaßnahmen einholen und notwendigenfalls beantragen (Kredite, Zuschüsse, Bürgschaften, Kurzarbeitergeld, Stundung/Reduzierung von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern.)
Ausbau der IT-Infrastruktur zur Virtualisierung der Zusammenarbeit (Ermöglichen Sie Home-Office, Videokonferenzen, den Datenaustausch und Softwarezugänge.)
Hygienestandards festlegen und Material bereitstellen (Verhaltensregeln über Plakate/Betriebsanweisungen kommunizieren, Putz-/Reinigungsaktivitäten fokussieren, Desinfektionsmittel, Seife, Papiertücher und Schutzausrüstung zur Verfügung stellen.)
Reisen einschränken und wenn erforderlich Personenkontakte minimieren (Stellen Sie Präsenz-, Besprechungs-, Pausenregelungen auf, führen Sie Schichtarbeit ein und vergessen Sie nicht innerbetriebliche Personentransporte und sonstige Versammlungsanlässe.)
Zeit nach der Krise im Blick behalten und sich auf mögliche Gegeneffekte einstellen (Möglichkeit zum schnellen Wiederhochfahren der Kapazitäten, ggf. auf Lager produzieren.)
Niemand kann in die Zukunft schauen. Derzeit liegen keine belastbaren Erkenntnisse darüber vor, was noch auf die Unternehmen zukommt. Man sollte sich jedoch nicht in trügerischer Sicherheit wiegen. Von einem wirksamen Notfallmanagement und zwar für alle realistisch annehmbaren Auslöser, hängt die unternehmerische und damit auch die private Zukunft der Beschäftigten ab. Beide sind zu wertvoll, um aufs Spiel gesetzt zu werden. Die Geschäftsführung und die Führungskräfte müssen sich ihrer Verantwortung und der Wichtigkeit dieses Themas bewusst sein. Es kann nichts Negativeres und Nachhaltigeres eintreten, als eine Krise, auf die man unternehmerisch nicht vorbereitet ist. Wenn Sie bei dem Aufbau Ihres Notfallmanagements Unterstützung benötigen, lassen Sie es uns wissen. Handeln Sie jetzt; es nie zu spät!